Schwerkraft und Rolfing®: Wieso geraten wir aus dem Gleichgewicht?
Die Schwerkraft formt unsere Körper und hat von Geburt an einen erheblichen Einfluss auf unsere Struktur. Mit der Zeit drückt sie unsere Körper in unnatürliche Positionen, die sich durch chronische Spannungen und Schmerzen bemerkbar machen.
In den 1950er Jahren machte die US-amerikanische Biochemikerin Ida Rolf die Entdeckung, dass eine optimale Körperhaltung die optimale Ausrichtung der einzelnen Körperabschnitte vorauszusetzen scheint: Dr. Rolf verglich die von ihr definierten Körperbereiche mit Bausteinen, die beim gesunden Menschen lotgemäß wie Elemente eines Turmes aufeinander aufliegen (Kopf, Schultern, Brust, Bauch, Hüften, Ober- und Unterschenkel sowie Füße).
In Verschiebungen innerhalb jenes Aufbaus, sprich Fehlhaltungen, sah Ida Rolf die Ursache einer Vielzahl von Erkrankungen: Eine beeinträchtigte Haltung, so erkannte sie, führte zu übermäßigen Ausgleichsbemühungen des Körpers – und damit zu Einschränkungen und erhöhtem Energieaufwand. Mit dem Resultat, dass die Bewegung von Muskeln und Gelenken immer mehr eingeschränkt und dadurch auch die ursprüngliche Position unserer Knochen verändert wird. Während einige Muskeln „überspannt“ sind, werden andere nicht mehr aktiviert. Dies führt zu eingeschränkten Bewegungsabläufen, erhöhtem emotionalen Stress, und mehr Schmerz und Verspannungen im Körper.
Aber nicht nur körperliche, sondern auch seelische Blockaden wirken auf die Körperhaltung. Dr. Ida Rolf fand heraus, dass permanenter Stress zu Beeinträchtigungen des Bindegewebes (des Fasziennetzes) führt und damit einen direkten Einfluss auf die Körperstatik hat. Auch die richtige Atmung spielt eine nicht unbedeutende Rolle.
Da physische und emotionale Verletzungen, ständige einseitige Belastungen, Stress und andere traumatische Ereignisse im Körper gespeichert werden, entstehen neue komplexe Haltungsmuster im gesamten Körper. Das führt dazu, dass wir mehr und mehr aus dem Gleichgewicht geraten!
Nach einer Verletzung nehmen wir oft Schonhaltungen ein, um unangenehme Bewegungen und Körperpositionen und damit Schmerzen zu vermeiden. Diese Anpassungen scheinen für den Augenblick zu funktionieren, sodass wir damit weitermachen. Die Verletzung heilt, aber ein Teil der kompensatorischen Muster bleibt in unserem Körper und in unseren Bewegungen. Sie gehen uns quasi in „Fleisch und Blut“ über, sodass wir sie nach einer gewissen Zeit nicht mehr bewusst wahrnehmen. Unser elastisches Bindegewebe absorbiert und reagiert auf diese „Fehlhaltungen“.
Durch den Einfluss der Schwerkraft, aber auch Stress, Trauma und Krankheit beginnen die Faszien zu dehydrieren, sich zu verhärten und zu verkleben.
Und so funktioniert Rolfing®
Liegt eine Verletzung oder Belastung in einem Körperbereich vor, entstehen Spannungsverhältnisse, die sich über das Fasziennetz im Rest des Körpers ausbreiten, damit dieser die Fehlhaltung ausgleicht. Aus diesem Grund muss der gesamte Körper adressiert werden, um wieder gesunde Haltungsmuster zu schaffen und dauerhafte Resultate zu erzielen. Die Schwerkraft steht beim Rolfing daher im Fokus.
Durch gezielte manuelle Arbeit am Bindegewebe (den „Faszien“) lassen sich verfestigte Strukturen lösen, um Muskeln und Gelenken wieder mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Wie ein Bildhauer mit Ton arbeitet ein Rolfer mit dem Bindegewebe. Durch die Kombination des vom Rolfer ausgeführten genauen, manuellen Druck und den dazu abgestimmten Bewegungen der Klient:innen, lassen sich Verhärtungen und Verklebungen lösen. Dies erlaubt den einzelnen Körpersegmenten (Kopf, Schultern, Brustkorb, Becken und Beine) sich zu restrukturieren und ins Gleichgewicht zurückzukommen.
Ein Beispiel:
Die Abbildung des Mädchens zeigt deutlich die Problembereiche vor der ersten Sitzung: Die Beine sind überstreckt, das Becken oben nach vorne gekippt. Die Bauchwand dringt vor. Der Brustkorb sackt zusammen und ist insgesamt nach hinten gekippt. Der Kopf muss mit einer starken Verschiebung nach vorne ausgleichen. Die Atmung ist dadurch sowohl im unteren Rücken, als auch im oberen Brustkorb eingeschränkt.
Die Abbildung des Mädchens nach der zehnten Rolfing®-Sitzung zeigt die Veränderungen im Sinne einer integrierten Struktur. Sie sind in den Umrisszeichnungen durch die eingetragenen Achsen der großen Körperblöcke verdeutlicht. Im Idealfall verändert sich die Struktur in einer Serie von zehn Sitzungen hin zu horizontalen Körperebenen.
Rolfing® bewirkt:
eine mühelose, gesunde Haltung
einen leichten, aufrechten Gang
eine schonende Belastung von Knochen und Gelenken
eine vergrößerte Bewegungsfreiheit und Flexibilität
eine verbesserte körperliche Selbstwahrnehmung
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