Die Beliebtheit der Rolfing-Methode steigt seit den 1970er Jahren kontinuierlich an. Dr. Ida Rolf erkannte bereits in den 1950er Jahren die Bedeutung des Fasziengewebes für die natürliche Aufrichtung des menschlichen Körpers. Daraufhin entwickelte sie ihre manuelle Methode, mit der sich verklebte Faszien lösen, um den Körper wieder ins Lot zu bringen. Während damals das menschliche Bindegewebe in der Forschung und der Medizin kaum Beachtung fand, ist in den letzten Jahren ein regelrechter Hype darum entstanden.
Beinahe jedes Fitnessstudio bietet mittlerweile „Faszienkurse“ an oder stellt die sogenannte Faszienrolle bereit, mit denen Faszienverklebungen gelöst werden sollen. Es gibt Fortbildungen und Lehrgänge, die zum Faszientrainer beziehungsweise zur Faszientrainerin ausbilden. Faszientraining soll den Körper beweglicher machen, die Leistungsfähigkeit beim Sport erhöhen, das Bindegewebe stärken und sogar gegen Cellulite helfen. Doch kann selbst ausgeführtes Faszientraining eine Rolfing-Behandlung ersetzen?
Welchen Effekt bewirkt Faszientraining mit der Faszienrolle?
Beim Training mit der Faszienrolle werden Arme, Beine und Rücken langsam auf einer harten Kunststoffrolle bewegt. Der – oft schmerzhafte – Druck soll die Faszien „ausrollen“ und verhärtete Faszien wieder weich machen. Inzwischen sind vielfältige Varianten, speziell durch die Fitness-Industrie, aufgelegt worden, deren Wirksamkeit größtenteils nicht wissenschaftlich erwiesen ist.
Auch ist vielen nicht bewusst, dass Tempo und Druck eine ausschlaggebende Rolle spielen. Studien auf diesem Gebiet haben die größte Effektivität bei einem „gerollten“ Zentimeter pro Minute ergeben: Die Rolle sollte sich nur etwa einen Zentimeter pro Minute bewegen – also sehr, sehr langsam. Zudem ist es entscheidend, in welche Richtung gerollt wird, um dem Körper nicht zu schaden – so berichtet es das Wissenschaftsmagazin Quarks.
Die Faszienforschung konnte belegen – jedoch lediglich im Labor –, dass die Arbeit mit der Faszienrolle die Wasserbindungsfähigkeit der Faszien erhöhen kann. Dies macht das Bindegewebe wieder straffer. Außerdem wird durch den Druck und erhöhten Wasserfluss der Aufbau von Kollagen in den jeweiligen Strukturen verbessert. Ähnliche Ergebnisse erzielen jedoch auch andere Methoden wie Stretching oder Seil springen.
Welche Vorteile bietet Rolfing® gegenüber der Faszienrolle?
Rolfing kann durch die Faszienrolle nicht ersetzt werden. Ein guter Rolfer ist Experte für die Strukturen des menschlichen Körpers und das Zusammenspiel von Muskeln, Knochen und Faszien. Rolfing ist eine ganzheitliche Methode und widmet jedem Körpersegment die nötige Aufmerksamkeit. Das Ziel ist nicht die Behandlung von Symptomen, sondern den Körper auch nachhaltig in seine Balance zu bringen. Denn die natürliche Aufrichtung entzieht der Entstehung von Beschwerden ihre Grundlage.
Eine optimale Aufrichtung und Körperhaltung wird stark von den jeweiligen Bewegungsmustern eines Menschen beeinflusst. Da diese häufig unbewusst erfolgen, richtet sich der Fokus eines Rolfers darauf, zusammen mit den Klient:innen gesündere Bewegungsmuster zu finden und diese in den Alltag zu integrieren.
Ein Rolfer arbeitet sich von den äußeren Gewebeschichten im Laufe der Sitzungen zu den inneren vor. Auch hier, z.B. im Inneren von Brustkorb und Becken, liegen oft ungünstige Zugverhältnisse vor. Diese rotieren, kippen und beugen den Körper von innen heraus in ungünstige Muster. Ein Beispiel wäre die Skoliose der Wirbelsäule, aber auch der Beckenschiefstand entsteht oft eher aus der Tiefe der Körperstruktur.
Mit einer Faszienrolle werden meist nur die äußeren Schichten der Faszien erreicht. Zudem kann sie hauptsächlich in den Bereichen der Arme, Beine und des Rückens genutzt werden.
Das Lösen von Faszien mit der Rolle ruft in der Regel nur kurzfristige Besserung hervor. Die Anwendung einer Faszienrolle in Ergänzung zum Rolfing kann jedoch durchaus sinnvoll sein. Da die korrekte Ausführung essenziell ist, wähle ich die Übungen individuell für die jeweiligen Klient:innen aus und wir „üben“ sie einmal gemeinsam.
FAQ zu Faszienrolle und Faszientraining
Hier finden Sie Antworten zu häufig gestellten Fragen rund um die Themen Faszienrolle, Faszientraining und Rolfing.
Was sind Faszien?
Faszien bestehen aus Kollagenfasern, elastischen Fasern, retikulären Fasern und Bindegewebszellen und umhüllen den gesamten Körper. Jedes einzelne Organ ist von der Bindegewebsstruktur umgeben, außerdem Muskeln und Knochen. So wird der ganze Körper gewissermaßen von den Faszien zusammengehalten – denn sie sorgen dafür, dass alles an seinem Platz bleibt. Außerdem sind die Faszien für die Kraftübertragung vom Muskel auf den Knochen verantwortlich.
Wozu braucht man Faszientraining?
Faszientraining ist in vielen Fitnessstudios, Yoga Studios und Sportgruppen zum neuen Trend geworden. Es soll die Beweglichkeit sowie sportliche Leistungen verbessern, chronischen Schmerzen entgegenwirken und die Regeneration fördern. Im Hochleistungssport wird Faszientraining zudem ergänzend praktiziert. Egal auf welchem Niveau man ist, gilt: Sportliche Betätigung und ausreichend Bewegung kann durch die Faszienrolle nicht ersetzt werden. Bei korrekter Anwendung bezogen auf die individuell vorherrschenden Zugverhältnisse in den Faszien kann die Rolle eine gute Ergänzung sein.
Wie wendet man die Faszienrolle richtig an?
Wichtig ist, dass die Faszienrolle in eine Richtung gerollt wird – im Bereich der Beine also beispielsweise von ganz unten nach ganz oben. Außerdem sollte die Faszienrolle nicht zu schnell, dafür aber mit stetigem Druck über die entsprechenden Körperregionen gleiten. Die falsche Anwendung der Faszienrolle kann nicht nur dazu führen, dass kein Effekt erzielt wird. Sie kann sogar Verletzungen von Gefäßen verursachen.
Kann eine Faszienrolle Rolfing® ersetzen?
Nein, eine Faszienrolle kann Rolfing nicht ersetzen. Mit der Faszienrolle können lediglich die obersten Faszienschichten von Armen, Beinen und Rücken erreicht werden. Das Ziel von Rolfing, eine aufrechte und in der Schwerkraft ausbalancierte Körperhaltung, kann mit der Faszienrolle allein nicht erreicht werden. Nur ein Rolfer ist in der Lage, auch die tiefen Bindegewebsschichten zu bearbeiten – und zwar professionell und nachhaltig.
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